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10. Mai 2023 SeminarCoachingPodcastLesezeit: 4 Minuten

Gesunder Umgang mit Wut – Wie Abgrenzung Wutausbrüche verhindert

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Wut ist eine ganz natürliche Eigenschaft, die in uns allen steckt – ein Gefühl, das zum Leben dazugehört. Es fällt jedoch nicht immer leicht, diese starke Emotion zu regulieren. Zunächst einmal: Wut ist gut! Sie ist ein klarer Hinweis darauf, dass viele Gedanken in unserem Kopf herumschwirren, vorwiegend negative: zum Beispiel Bewertungen, Interpretationen oder Urteile über andere oder uns selbst. Das kostet nicht nur Lebensenergie, sondern beeinträchtigt die Stimmung im Raum, tut dem Körper nicht gut und hält uns gedanklich gefangen.

Was wir wütend tun, können wir nicht wirklich geniessen, da wir von unserer Wut total abgelenkt sind. Schwierig wird es vor allem dann, wenn es zu einem regelrechten Wutausbruch kommt; zu einem emotionalen Aufruhr, der nicht mehr zu kontrollieren ist. Oder, wenn die angestaute Wut an anderen ausgelassen wird, an Menschen, die vielleicht gar nichts dafürkönnen. Wer so etwas erlebt, ist meist geschockt.

Was passiert, wenn wir wütend sind

Um gar nicht erst in eine solche Situation zu kommen, ist es hilfreich zu wissen: Wenn wir wütend sind, atmen wir meist rascher und kürzer, das Herz schlägt schneller und zuweilen zittern wir. Unsere Muskeln spannen sich an. Manchmal schnürt sich der Hals zu. Wir sprechen lauter, die Hände ballen sich möglicherweise zu Fäusten, der ganze Körper ist in höchstem Masse energiegeladen und ungeheuer aktiv. Jetzt will sich die negative Energie nur noch so schnell wie möglich abbauen.

Es gibt nichts, was ein anderer Mensch tun kann, um uns wütend zu machen.

Marshall B. Rosenberg

Und der im Raum stehende Wutanfall kann plötzlich gegen alles gerichtet sein: gegen die Einrichtung oder gegen bestimmte Gegenstände, gegen gerade Anwesende oder gegen sich selbst. In so eine Lage gebracht, kann die wütende Person über mögliche Konsequenzen überhaupt nicht mehr nachdenken. Häufige Wutanfälle können sogar krank machen, da der Körper ständig einem übermässigen Stress ausgesetzt ist.

GFK hilft dabei, besser mit Wut umzugehen

Um solche Situationen zu vermeiden und ein harmonisches Miteinander zu fördern, ist die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) ein wirksames Instrument. Wut bedeutet zunächst: Wir dürfen uns über die unerfüllten Bedürfnisse klar werden, sie erkennen und darüber sozialverträgliche Strategien finden. Allerdings liegen unter der Wut weitere, meist angestaute Gefühle: Ohnmacht, Angst, Hilflosigkeit und vieles mehr. Auch diese Gefühle benötigen Zuwendung und Gehör. Sie zu verdrängen ist nicht nur ungesund, sondern auch völlig unnütz: Irgendwann entladen sich die verdrängten Gefühle. Dann kommt es zu Kurzschlussreaktionen oder einem verbalen Gewitter.

Abgrenzung kann einen Wutausbruch verhindern

Eine sozialverträgliche Möglichkeit, Grenzen zu setzen, spricht Gefühle und Gemütszustände unmittelbar an und bringt sie auf den Punkt. Sie ersetzt einen Wutausbruch, bei dem man in der Regel andere beschimpft und beleidigt. Eine solche Abgrenzung kann zum Beispiel so artikuliert werden: «Ich bin unter Druck und brauche Ruhe, um mich zu konzentrieren. Bitte schliesse die Türe. Ich bin in 30 Minuten wieder verfügbar!» Keine langen Begründungen oder Ausreden. Indem man offen und respektvoll seine Grenzen kommuniziert, können potenzielle Konflikte entschärft und ein harmonischeres Miteinander gefördert werden.

Gesunder Umgang mit herausfordernden Emotionen

Die Gewaltfreie Kommunikation bietet einen Weg, um mit herausfordernden Emotionen wie Wut umzugehen und zwischenmenschliche Grenzen auf eine respektvolle und konstruktive Weise zu setzen. Wir lernen einen gesunden Umgang mit unseren Emotionen, erkennen unsere Grenzen und finden leichter Worte, mit denen wir uns umgehend so ausdrücken können, dass andere uns verstehen – ohne zu denken, dass sie beleidigt oder angegriffen werden. So können Menschen ein besseres Verständnis füreinander entwickeln und Konflikte effektiver lösen, was zu einem friedlicheren und harmonischeren Zusammenleben führt.

Empathie mit sich selbst reduziert die Wut-Energie

Es ist daher wichtig, körperliche Warnhinweise vor einem Wutausbruch rechtzeitig zu erkennen und entsprechend zu reagieren. Das gelingt durch ein Zuwenden, eine Verbindung zu sich selbst. Wenn wir den Fokus auf unsere unerfüllten Bedürfnisse lenken, kann sich der Körper beruhigen, Stress abbauen und die aufgestaute Wut-Energie wird reduziert. Dies alles gelingt im Notfall aber nur dann zuverlässig, wenn es ausreichend trainiert worden ist. Es braucht etwas Übung, um empathisch mit sich umzugehen.

Ich nenne diese Fähigkeit emotionale Intelligenz. Sie ermöglicht es, Emotionen wahrzunehmen, sie zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren. Dabei ist es wichtig zu lernen, die eigenen Emotionen zu akzeptieren und sich bewusst zu machen, dass sie nur vorübergehend sind. Gefühle sind flüchtig – und nur die Gefühle, die wir ablehnen, bleiben bei uns. Wenn wir auch die negativen Gefühle als Teil von uns annehmen, können wir einen gesunden Umgang mit Wut und anderen starken Emotionen entwickeln.

Lernen, die Auswirkungen von Wut und Stress zu reduzieren

Deshalb ist es auf lange Sicht im Miteinander verträglicher, an einem gesunden Selbstbewusstsein zu arbeiten und es sich Stück für Stück aufzubauen. Dafür lenken wir den Fokus auf das eigene Innenleben und entwickeln darüber ein besseres Verständnis für die eigenen Emotionen und Bedürfnisse.

Darüber hinaus ist es sinnvoll, sich regelmässig Zeit für Reflexion und Selbstbeobachtung zu nehmen, um Muster im eigenen Verhalten zu erkennen und gegebenenfalls zu verändern. Anstatt die Wut in sich hineinzufressen oder sie unkontrolliert herauszulassen, kann man lernen, die negativen Auswirkungen von Wut und Stress zu reduzieren und ein gesünderes, harmonischeres Leben zu führen.

Wut entsteht durch unerfüllte Bedürfnisse

Ausserdem gehört zum Selbstbewusstsein, sich einerseits abzugrenzen, wenn es angemessen ist, und sich andererseits klar und deutlich zu positionieren. Das lässt sich durch Gewaltfreie Kommunikation erlernen. Hier spielt allerdings ein Stolperstein mit hinein: Um sich rechtzeitig liebevoll abzugrenzen, bedarf es eines starken Selbstwertgefühls. Daran scheitert es jedoch oft, weil die Angst, nicht gemocht zu werden oder jemanden zu enttäuschen, viel mit den Grundüberzeugungen zu tun hat, mit denen wir konditioniert worden sind.

Häufig besteht eine Art inneres Verbot, für sich selbst einzustehen. Dann wird ein Bedürfnis so lange unterdrückt, bis sich die Wut Luft verschafft. Weil Gewaltfreie Kommunikation Platz für Bedürfnisse einräumt, ist sie eine Möglichkeit zur Persönlichkeitsentwicklung: Innehalten, Gedanken wahrnehmen, in den Körper reinspüren, wie sich die Situation oder Entscheidung anfühlt.

Gezielte Schulung der Selbstwahrnehmung hilft gegen Kontrollverlust

Denn: Wer seine Selbstwahrnehmung zielgerichtet trainiert, kann seine Emotionen leichter und besser erkennen und einem abrupten Kontrollverlust vorbeugen. Dabei ist es hilfreich, sich zu vergegenwärtigen: Was ist es, das uns so übermässig reizbar werden lässt? Das Ziel ist, sensibel für die Umstände zu werden, unter denen wir derart aggressiv reagieren.

Die gezielte Schulung der Selbstwahrnehmung ist ein wichtiger Faktor für ein gesundes Selbstbewusstsein und für die Fähigkeit, sich im sozialen Umfeld angemessen abzugrenzen und zu positionieren.

Codewörter anstelle eines Wutausbruchs

Im familiären Umfeld ist es ein richtiger Game Changer, wenn die ganze Familie sich zusammensetzt (allerdings in Friedenszeiten) und ein Codewort kreiert, welches von jedem Mitglied der anwesenden Gemeinschaft, ob klein oder gross, benutzt werden darf. Und zwar immer dann, wenn für die jeweilige Person in einer herausfordernden Situation das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Dieser Mensch ist in eine Notsituation geraten – sei es durch Hänseleien vom anderen Geschwister, sei es dadurch, dass die Mutter gerade keine Aufmerksamkeit schenken kann, weil sie am Telefon präsent sein möchte, usw.

Dieses Codewort dürfen alle benutzen, wenn es ihnen zu brenzlig wird. Dann kommt immer dieses Codewort zum Einsatz – anstelle eines Wutausbruchs, einer Beschimpfung oder Beleidigung. Die Reaktion der anderen Anwesenden fällt dann entsprechend rücksichtsvoller aus. Denn sie wissen: Achtung, jetzt geht es dieser Person nicht mehr so gut. Sie braucht kurz Zeit für sich um runterzukühlen.

Es funktioniert!

Ich habe von vielen Eltern in meinen Seminaren bereits Rückmeldung erhalten, dass es richtig gut funktioniert; dass es deeskalierend wirkt und vor allem: dass es nicht missbraucht wird. Es wird wirklich nur dann angewendet, wenn die Person in absoluter Not ist. Es bedeutet auch, sich mit seiner Verletzlichkeit den anderen zuzumuten und dann Verständnis zu erleben – auch wenn es nur dadurch geschieht, dass die anderen sofort aufhören. Man wird gehört und das schafft Vertrauen in die Gemeinschaft.

Wir haben alle unsere Grenzen. Abgrenzung ist gesund für einen selbst und für die anderen. Als Codewörter habe ich schon alles Mögliche gehört: von Himbeerpudding über Monki zu Dododo. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt und Kinder lieben es, sich in solche Wortfindungen einbringen zu können. Probier es aus!

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